Dieses Krakenkarussell heißt Heroes – Out of Control. Irgendwie ist mir dabei die Farbe außer Kontrolle geraten. Wahrscheinlich hat der Aktionheld meine Kamera mit seinem Laserblick ins Visier genommen. Superman trägt deshalb ab sofort einen neuen Anzug. Immer in Blau und Rot ist ihm vielleicht auf Dauer auch zu langweilig. Den beiden Mädchen im Wagen scheint es zu gefallen – jedenfalls die rasante Karussellfahrt.
Das kleine Rasenkarree an einer Straßenecke ist dieser Tage zum Foto-Hotspot geworden. Die Zierkirschen stehen in voller Blüte. Die Bäume gewähren durch ein Portal aus Ästen Einlass unter ihr rosa Blütendach, und in dieser zauberhaften kleinen Welt lässt sich gut eine kurze Auszeit vom Alltag nehmen. Unter dem üppigen Blütengewölbe summt und surrt es in einem fort, Bienen sammeln unermüdlich Nektar. Doch nicht nur fleißige Insekten fühlen sich magisch angezogen, auch die Menschen: sie sammeln fleißig Fotos.
Die Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln sollte 50000 Menschen ein neues Zuhause in luftigen und hellen Wohnungen bieten. Der Bauhaus-Architekt Walter Gropius plante die Trabantenstadt. Von 1962 bis 1975 entstanden etwa 18500 Wohnungen, zu einem Anteil von 90 Prozent Sozialwohnungen. Ursprünglich sah Gropius maximal fünfgeschossige Gebäude vor. Bedingt durch den Bau der Mauer 1961 und dem damit einhergehenden Platzverlust wurde die Fläche verdichtet und in die Höhe gebaut. Die Fotos entstanden 2007 praktisch im Vorbeigehen. Aus Zeitgründen ließ sich leider nur ein kurzer Abstecher in die Betonsiedlung unternehmen, die ich fotografisch gern ausführlicher portraitiert hätte.
Im Laufe der 1980er Jahre wandelte sich die Satellitenstadt zu einem sozialen Brennpunkt. Berühmtheit insofern erlangte die Gropiusstadt durch die Geschichte der heroinabhängigen Jugendlichen Christiane F., die hier aufwuchs. In ihrem Report Wir Kinder vom Bahnhof Zoo schildert sie ihre Eindrücke: „Gropiusstadt, das sind Häuser für 45000 Menschen, dazwischen Rasen und Einkaufszentren. Von weitem sah alles neu und sehr gepflegt aus. Doch wenn man zwischen den Hochhäusern war, stank es überall nach Pisse und Kacke. Das kam von den vielen Hunden und den vielen Kindern, die in der Gropiusstadt leben. Am meisten stank es im Treppenhaus.“ Inzwischen gibt es Bemühungen, die Gropiusstadt aufzuwerten und vom Stigma des sozialen Brennpunkts ein Stück weit zu lösen.
Dies ist die Stadt der Zukunfts-Welt
Aus Stahlbeton, der ewig hält
Dies ist die Welt der Zukunfts-Stadt
Die alles außer Wärme hat
Aus dem Song Satellitenstadt von Nena
Mit der U 7 gelangt man über die Stationen Johannisthaler Chaussee, Lipschitzallee, Wutzkyallee und Zwickauer Damm in die Gropiusstadt.